Nürtingen aktuell
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Trauer um Hildegard Ruoff
Erstelldatum07.07.2020
Trauer um Hildegard Ruoff
Die Stadt Nürtingen hat eine große Persönlichkeit verloren: In der Nacht zum vergangenen Freitag verstarb Hildegard Ruoff im Alter von 100 Jahren.
Noch am 3. Oktober letzten Jahres beging sie ihren 100. Geburtstag im Kreise zahlreicher Gratulanten. Ihre Fotoausstellung „Vom Finden“ im Herbst 2019 entwickelte sich zum absoluten Publikumsmagneten.
„Hildegard Ruoff war eine der prägendsten Figuren der Nürtinger Kunstszene und wird dies auch auf lange Zeit bleiben. Mit ihr verlieren wir nicht nur eine große Künstlerin, sondern insbesondere auch eine beeindruckende Persönlichkeit“, so Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich.
„Hildegard Ruoff konzentrierte sich nie ausschließlich auf ihre eigenen Werke und die ihres Mannes Fritz Ruoff. Sie blickte stets über den Tellerrand hinaus und daher war es ihr auch ein besonderes Anliegen, die Jugend zu fördern. Sie war neugierig und aufgeschlossen für Neues, was der Motor für ihre Schaffenskraft bis ins hohe Alter war. Gleichzeitig war sie voller Demut vor dem Leben und Respekt vor ihren Mitmenschen“, schildert Kulturamtsleiterin Susanne Ackermann die Person Hildegard Ruoff.
Hildegard Ruoff, geb. Scholl, wurde am 3. Oktober 1919 in Stuttgart geboren. 1941 macht sie im Kunsthaus Schaller eine Ausbildung als Kunsthändlerin und begegnet dort Fritz Ruoff. Beide entdecken eine Wesensgemeinschaft auf menschlicher, künstlerischer und politischer Ebene, heiraten 1943 und ziehen nach Nürtingen um.
1947 engagiert sie sich zusammen mit der Nürtinger Stadträtin Paula Planck für den Aufbau einer Leihbücherei der Arbeiterwohlfahrt, baut den Bestand der Bücherei durch großen persönlichen Einsatz aus und führt die Bücherei. Prominentester Besucher war der junge Peter Härtling, dessen Familie mit einem Flüchtlingszug nach Nürtingen gekommen war und für den Fritz Ruoff ein Mentor wurde. Anfang der fünfziger Jahre lernt Hildegard Ruoff die Nürtinger Kunstsammlerin Auguste Pfänder kennen. Diese Zusammenarbeit führt zur Durchführung der ein- bis zweimal jährlich stattfindenden städtischen Kunstausstellungen in der Nürtinger Stadthalle. Hildegard Ruoff stellt die Kontakte zu den Künstlern her, konzipiert die Ausstellungen und betreut diese auch während der Öffnungszeiten.
Sie stellt jedoch ihre eigene künstlerische Tätigkeit in den Hintergrund und unterstützt in erster Linie ihren Mann, der in den 70er- und 80er- Jahren große Anerkennung erfuhr (Ehrengast Villa Massimo 1972, Ernennung Professor honoris causa durch das Land Baden-Württemberg 1976, Ehrenbürger der Stadt Nürtingen 1986).
Anfang der 1960er-Jahre kann das Ehepaar Ruoff in das Wohnhaus der Kunstsammlerin Pfänder in der Schellingstraße 12 einziehen. Damit beginnt, was 2003 mit der Gründung der Stiftung Ruoff eine Öffnung dieses privaten Hauses der Kunst für die Öffentlichkeit ermöglichte.
Nach dem Tod von Fritz Ruoff 1986 verwaltet Hildegard Ruoff seinen künstlerischen Nachlass. Wesentliche Teile aus dessen künstlerischem Nachlass und ein bedeutender Teil der Werke anderer Künstler aus ihrem Besitz werden in die Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung eingebracht, die 2004 ihren Betrieb aufnimmt.
Seither besteht die Stiftung Ruoff mit einer Dauerausstellung, vier jährlichen Sonderausstellungen zeitgenössischer Kunst und Begleitveranstaltungen (www.stiftung-ruoff.de). Das Gesamtprogramm der Stiftung Ruoff wurde bis 2016 von Hildegard Ruoff konzipiert und kuratiert und in Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Nürtingen und mit Hilfe eines ehrenamtlichen Netzwerkes organisiert und betreut. Hildegard Ruoff hat zu Lebzeiten selbst für ihre Nachfolge gesorgt und den Kunstwissenschaftler Nikolai B. Forstbauer, Stuttgart, bestellt, der dem Hause Ruoff eng verbunden ist und seit 2017 in Kooperation mit Hildegard Ruoff das künstlerische Programm der Stiftung prägt.
Ein Anliegen Hildegard Ruoffs war es stets, einen Zugang zu Kindern und Jugendlichen zu finden. In Schülerführungen und Einladungen von Schulklassen vermittelte sie Kunst und Zeitgeschichte, berichtete von ihrem Leben mit der Kunst und war wichtige Zeitzeugin. 2014 übernimmt Hildegard Ruoff die Patenschaft für den Kunstzweig des Peter Härtling-Gymnasiums in Nürtingen.
Hildegard Ruoff erhielt 2009 als erste Frau die Bürgermedaille der Stadt Nürtingen in Gold. 2015 überreichte Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihr die Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg. 2017 erhielt sie den Daniel-Pfisterer-Preis.
Informationen zur Stiftung Ruoff finden Sie hier.