Nürtingen aktuell
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Hoffnung für Bahnstadt
Erstelldatum16.04.2014
Wenn man einem Gebäude den Charme einer Bahnhofskneipe bescheinigt, ist das nicht wirklich ein Kompliment. In Nürtingen ist es noch ein bisschen schlimmer: Das ganze Bahnhofsviertel strotzt von solchem Charme: Gewerbebrachen, windschiefe Schuppen, löchrige Parkplätze und ein alter Busbahnhof prägen das Areal zwischen Oberboihinger, Plochinger und Rümelinstraße. Reisende empfängt der Nürtinger Bahnhof mit unwirtlichen Unterführungen zur Altstadt und vielbefahrenen Straßen am Bahnhofsvorplatz. Ein herzliches Willkommen sieht anders aus.
Das in Angriff zu nehmen und zwar nicht irgendwann, sondern bald, hat sich die Stadtverwaltung vorgenommen und mit der Unterstützung von engagierten und interessierten Bürgern auch schon begonnen. Während bei manchen Themen die Diskussionsrunden überschaubar bleiben und die angebotene Bürgerbeteiligung wenig genutzt wird, können sich die Stadtplaner beim Thema Bahnstadt nicht beklagen. Sowohl der Stadtrundgang zur Orientierung als auch die erste Stadtwerkstatt zur Bestandsaufnahme als auch die Jugendwerkstatt vorige Woche lockten bis zu 70 Mitstreiter. Mitstreiter sind es im besten Sinne, denn sie überraschten durchweg mit guter Vorbereitung, durchdachten Vorschlägen und engagiertem Einsatz. Ich war begeistert, wie intensiv sich die Beteiligten mit den Netzbeziehungen auseinandergesetzt hatten und wie viel praktischen Sachverstand sie einbrachten, berichtet Projektleiterin Heidrun Eissele vom Planungsamt. So war man sich beispielsweise sehr schnell einig, dass für einen gern genutzten Zugang zur Altstadt eine Umgestaltung von Bahnhof- und Kirchstraße unabdingbar ist. Auch eine Verlegung des ZOB, idealerweise auf das noch in Fremdbesitz befindliche Areal Gleis 13, fand uneingeschränkt Zuspruch.
Sowohl das Stadtplanungsamt als auch das beauftragte Planungsbüro legen großen Wert darauf, dass hier nicht für die Schublade oder gar den Papierkorb geplant wird. Das heißt zum einen, dass die Stadtverwaltung Ideen wie beispielsweise eine Verlagerung des Verkehrs aus der Bahnhofstraße in eine ausgebaute Plochinger Straße vor der nächsten Denkwerkstatt auf ihre technische Machbarkeit hin prüft. Zum zweiten ist der Zeitplan fürs Entwicklungskonzept ehrgeizig und straff. Nach der zweiten Stadtwerkstatt im Sommer folgt eine Ausstellung der entwickelten Planungskonzepte. Schon im September soll der neue Gemeinderat in einer Klausurtagung beraten und in der folgenden Sitzung beschließen, welches Szenario in einem Wettbewerb weiterverfolgt wird. Außerdem soll die Projektarbeit dann auch konkret mit Finanzmitteln und Kompetenzen ausgestattet werden. Ende des Jahres soll dann der Wettbewerb für die Neugestaltung der Bahnstadt vorbereitet werden.
Bis dahin hofft die Stadt auch die noch offenen Grundstücksfragen klären zu können. Derzeit gehören rund zwei Drittel des rund 8,5 Hektar großen Areals (ohne Gleisanlagen) der Stadt, der Rest ist (noch) in Privat- oder Firmenbesitz. Um vernünftig planen zu können, hat sich die Stadt mit Veränderungssperren und Vorkaufsrechten abgesichert. Die Gestaltung der Bahnstadt ist eine historische Chance, die wir uns nicht entgehen lassen, sagt Oberbürgermeister Otmar Heirich. Und egal, wie der attraktive Mix aus Freiflächen, Handel, Mobilitätsinfrastruktur, Wohnen und Gemeinschaftseinrichtungen letztendlich im Detail aussieht: Eine Aufwertung und Anbindung des Bahnhofsumfeldes wertet die gesamte Innenstadt auf, so der OB.